Freitag, Juli 28

An der Nordseeküste

Jeder Mensch hat etwas vor dem er sich fürchtet. Manchmal sind es ganz absurde Dinge und manchmal Dinge die uns ganz nah stehen.
Gestern musste ich meiner Angst das erste mal seit langem wieder in die Augen sehen.
Ich war an der Elbe.
Und ich fürchte mich vor offenen Gewässern.
Als 6jährige betet man seine Babysitter an, sie erlauben einem einfach alles. Und so kam es, dass ich im Bettnässer-Alter mit einem Eis und einer Wolldecke auf dem Sofa lag und mit meiner Babysitterin Saskia und ihrer rothaarigen Freundin, die sich Bier reinkippten und unverständlicherweise die ganze Zeit über einen Marco unterhielten, den weissen Hai schauten.
"Bei den gruseligen Szenen ziehst du einfach die Decke hoch!" Ich war brav und zog ziemlich oft die Decke hoch, ich glaube ich sah nicht einen Mord, nur manchmal ein paar Fetzen (haha!).
Ich stieg 7 Jahre lang in kein offenes Gewässer.
Mein Dad verzweifelte, allein bei dem Wort Nordsee fing ich an zu weinen. Und so kam es, trotz dessen, dass wir in Norddeutschland wohnen und die Nordsee grade mal eine Stunde von unserem Haus entfernt liegt, wir jeden Sommer im Freibad verbrachten.
Aber auch das Freibad schien bald nichtmehr sicher: Als ich 11 war, bekam ich einen immer wiederkehrenden Albtraum. Ich schwamm allein im grossen Becken, 2,20m tief, und die Filterluken gingen plötzlich auf. Haie der verschiedensten Arten zwängten sich durch die kleinen Luken und kreisten mich ein. Ich wachte auf, meine Vorstellung aber noch nicht. Mein Bett wurde seitdem ziemlich oft zu einem einsamen Floss und mein damaliges 13qm Zimmer die offene See.
Es war sicherlich nicht förderlich sich zwischendurch noch Filme anzusehen, in denen Riesen-Oktupusse einzelne Menschen in die Tiefe reissen und auffressen. Und ganz offensichtlich war es auch nicht förderlich für mich, mir die neue Serie "Surface" anzusehen.
Ich war gestern, dass erste Mal seit ca 4 Jahren, wieder in einem offenen Gewässer schwimmen. Nach einem 4-5km Marsch ("Wir brauchen nicht mit dem Bus fahren, ist vielleicht nen Kilometer zum Strand - lass laufen!") zwang mich eine Art Gruppenzwang gepaart mit angehendem Hitzeschlag meine Angst zu überwinden. Ich wollte meinen Bikini anziehen, hatte aber keinen dabei. Also musste Unterwäsche herhalten. Ich stand zuerst ganz allein in der Elbe, mein Bekannter sprach immer etwas von "chillen" und "braun werden". Er beobachtete meine tappsigen Schritte im kniehohen Wasser. Weiter gehe ich nicht! Ein Blick zu meinem Bekannten, seine Geste "Was is los? Geh weiter rein!", liess mich erschauern. Ok, bis zur Hüfte! Als er kurz die Sonne genoss und die Augen schloss, liess ich meine Beine einknicken und tat so, als wenn ich schon gaaaanz tief drin wär - dabei schwamm ich im hüfthohem Wasser auf den Knien.
Eine Heckwelle erwischte mich unerwartet und ich stiess mir den linken Fuss an irgendeinem scharfkantigem Stein. Der pochende Schmerz verriet mir, dass ich blutete und als ich meinen Fuss aus dem Wasser hielt um das hellrote Blut zu betrachten, passierte es. Panik. Haie können Blut doch über Kilometer riechen? Der weisse Hai sogar über hunderte von Kilometern. Ich rannte raus. Weinerlich über die Wunde am Fuss vertuschte ich meine Angst und legte mich zu meinem Bekannten auf die Decke.
Irgendwann war es soweit, wir wollten zusammen eine Runde schwimmen. Während ich peinlich genau jeden Zentimeter der Elbe versuchte abzuschätzen, schwamm mein Bekannter ziemlich weit hinaus. Er denkt ja wohl nicht, dass ich ihm folge? Spielerisch legte ich meine Angst offen. "Pass auf, sonst holt dich gleich der weisse Hai! Oder einen Riesen-Oktupus! Oder das Monster aus Surface!!!"
Er kicherte anfangs noch ein wenig über meine Warnungen, aber als ich jene zum 3. Mal in 5 min äusserte, wurde es ihm auch stutzig. Und mein blutiger Fuss hatte die Macht in meinem Kopf.
Ein toter Krebs schwamm 10 cm an meinem Oberkörper vorbei und plötzlich registrierte ich, dass ich Brusttief im Wasser stand. Ich rannte raus. Keuchend wartete ich ab, bis das Ding vorbei geschwommen war. Mir völlig egal ob es mit dem Bauch nach oben schwimmt - es lockt nur grössere Tiere an!
Wieder im Wasser, kichert Julian (mein Bekannter), dass ihm etwas grad am Fuss vorbeigeschwommen ist. Panisch frage ich ob es sein Ernst war und als er unter lachen beteuert, dass definitiv nichts an ihm vorbeigeschwommen ist, spüre ich plötzlich etwas an meinen Füssen vorbeischwimmen. JA, ich weiss, es war nur Einbildung! Aber Teufel nochmal, das Ufer war mindestens 5 Meter entfernt! "Schau mal, wir sind ein wenig abgedriftet, lass mal wieder näher zu unserem Platz schwimmen." - Gesagt, getan. Nurnoch 3,5m trennen mich vom sicheren Sand und da passiert es; Unerwartet streift mich ein schwimmendes Stöckchen und ein klirrender Schrei löst sich aus meiner Kehle. Völlig entsetzt renne ich ans Ufer. Für diesen Tag war es das letzte Mal, dass ich ins Wasser ging.
Mittlerweile war es schon knapp 17 Uhr und ich wollte nach Hause. Die Jungs blieben noch und so trottete ich den ganzen verdammten Strand entlang (Wieso mussten wir nochmal am Ende des Strandes liegen? Du Penner!) mit einem schmerzendem Fuss und der Abarbeitung panischer Angst.
Mein persönliches Highlight kam aber erst da auf mich zugeschlendert. Ein Inder mit einer Pepsiflasche in der Hand, fing an mich verbal zu penetrieren. In einem gebrochenem Deutsch verklickerte er mir, dass er kaum Freunde findet und meine Höflichkeit nahm von Meter zu Meter ab. Die Bushaltestelle war noch nichtmal zu sehen und das liess meine Laune schnell verschlechtern. Der Inder hörte nicht auf mir Honig ums Maul zu schmieren, aber da ich noch mit der pychischen Abarbeitung meiner Kindheitsangst zu kämpfen hatte, nickte ich nur immer mit dem Kopf und gab ein zustimmendes "Mhmh" von mir. Bei dem Satz "Ich würde dich gerne küssen." zwang ich mich meine Selbst-Therapie kurz zu pausieren und mich doch kurz mit dem freundlich grinsendem Inder auseinander zu setzen. Er tat mir fast ein wenig Leid, als ich ihm ausmalte, dass mein Ehemann sehr eifersüchtig sei und er zuerst mich und dann ihn quer aufschlitzen würde in einem Anfall rasender Eifersucht.
Der Inder gewann Abstand. Aber erst nach der dritten Wiederholung der Geschichte mit meinem imaginären Ehemann, schien er zu verstehen.
Zuhause angekommen, mein Mitbewohner wie erwarten schon da, freute ich mich ihn zu sehen. Meinen imaginären Ehemann. :)
Er half mir Magerquark auf meine roten Schultern zu klatschen und tadelte mich, mehr Sonnencreme solle ich nutzen! Und Montags gibt es auch kein Surface mehr!


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[Michi]: Aber du hast wirklich Angst, da kommt ein ROAR OCTOPUS MIT 5 KÖPFEN UND VIEL HUNGER LOL?
[Nina]: mach dich halt lustig.
[Michi]: naja, Höhenangst ist natürlich (kann man runterfallen), Spinnenangst .. die Viecher sind halt eklig
[Michi]: Aber wenn man weiss, dass es das nicht gibt?
[Nina]: es gibt alles!
[Michi]: zB ein Krokodil unterm Bett?
[Nina]: davor hatte ich nie angst
[Michi]: Ja
[Michi]: weil DEINS von Haien gefressen wurde

Ich fand das einfach so putzig, sorry Michi! :)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

wall of text :(

/eli

elegant.kotzende.elfe hat gesagt…

crits you for? :P

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