Freitag, Juli 28

An der Nordseeküste

Jeder Mensch hat etwas vor dem er sich fürchtet. Manchmal sind es ganz absurde Dinge und manchmal Dinge die uns ganz nah stehen.
Gestern musste ich meiner Angst das erste mal seit langem wieder in die Augen sehen.
Ich war an der Elbe.
Und ich fürchte mich vor offenen Gewässern.
Als 6jährige betet man seine Babysitter an, sie erlauben einem einfach alles. Und so kam es, dass ich im Bettnässer-Alter mit einem Eis und einer Wolldecke auf dem Sofa lag und mit meiner Babysitterin Saskia und ihrer rothaarigen Freundin, die sich Bier reinkippten und unverständlicherweise die ganze Zeit über einen Marco unterhielten, den weissen Hai schauten.
"Bei den gruseligen Szenen ziehst du einfach die Decke hoch!" Ich war brav und zog ziemlich oft die Decke hoch, ich glaube ich sah nicht einen Mord, nur manchmal ein paar Fetzen (haha!).
Ich stieg 7 Jahre lang in kein offenes Gewässer.
Mein Dad verzweifelte, allein bei dem Wort Nordsee fing ich an zu weinen. Und so kam es, trotz dessen, dass wir in Norddeutschland wohnen und die Nordsee grade mal eine Stunde von unserem Haus entfernt liegt, wir jeden Sommer im Freibad verbrachten.
Aber auch das Freibad schien bald nichtmehr sicher: Als ich 11 war, bekam ich einen immer wiederkehrenden Albtraum. Ich schwamm allein im grossen Becken, 2,20m tief, und die Filterluken gingen plötzlich auf. Haie der verschiedensten Arten zwängten sich durch die kleinen Luken und kreisten mich ein. Ich wachte auf, meine Vorstellung aber noch nicht. Mein Bett wurde seitdem ziemlich oft zu einem einsamen Floss und mein damaliges 13qm Zimmer die offene See.
Es war sicherlich nicht förderlich sich zwischendurch noch Filme anzusehen, in denen Riesen-Oktupusse einzelne Menschen in die Tiefe reissen und auffressen. Und ganz offensichtlich war es auch nicht förderlich für mich, mir die neue Serie "Surface" anzusehen.
Ich war gestern, dass erste Mal seit ca 4 Jahren, wieder in einem offenen Gewässer schwimmen. Nach einem 4-5km Marsch ("Wir brauchen nicht mit dem Bus fahren, ist vielleicht nen Kilometer zum Strand - lass laufen!") zwang mich eine Art Gruppenzwang gepaart mit angehendem Hitzeschlag meine Angst zu überwinden. Ich wollte meinen Bikini anziehen, hatte aber keinen dabei. Also musste Unterwäsche herhalten. Ich stand zuerst ganz allein in der Elbe, mein Bekannter sprach immer etwas von "chillen" und "braun werden". Er beobachtete meine tappsigen Schritte im kniehohen Wasser. Weiter gehe ich nicht! Ein Blick zu meinem Bekannten, seine Geste "Was is los? Geh weiter rein!", liess mich erschauern. Ok, bis zur Hüfte! Als er kurz die Sonne genoss und die Augen schloss, liess ich meine Beine einknicken und tat so, als wenn ich schon gaaaanz tief drin wär - dabei schwamm ich im hüfthohem Wasser auf den Knien.
Eine Heckwelle erwischte mich unerwartet und ich stiess mir den linken Fuss an irgendeinem scharfkantigem Stein. Der pochende Schmerz verriet mir, dass ich blutete und als ich meinen Fuss aus dem Wasser hielt um das hellrote Blut zu betrachten, passierte es. Panik. Haie können Blut doch über Kilometer riechen? Der weisse Hai sogar über hunderte von Kilometern. Ich rannte raus. Weinerlich über die Wunde am Fuss vertuschte ich meine Angst und legte mich zu meinem Bekannten auf die Decke.
Irgendwann war es soweit, wir wollten zusammen eine Runde schwimmen. Während ich peinlich genau jeden Zentimeter der Elbe versuchte abzuschätzen, schwamm mein Bekannter ziemlich weit hinaus. Er denkt ja wohl nicht, dass ich ihm folge? Spielerisch legte ich meine Angst offen. "Pass auf, sonst holt dich gleich der weisse Hai! Oder einen Riesen-Oktupus! Oder das Monster aus Surface!!!"
Er kicherte anfangs noch ein wenig über meine Warnungen, aber als ich jene zum 3. Mal in 5 min äusserte, wurde es ihm auch stutzig. Und mein blutiger Fuss hatte die Macht in meinem Kopf.
Ein toter Krebs schwamm 10 cm an meinem Oberkörper vorbei und plötzlich registrierte ich, dass ich Brusttief im Wasser stand. Ich rannte raus. Keuchend wartete ich ab, bis das Ding vorbei geschwommen war. Mir völlig egal ob es mit dem Bauch nach oben schwimmt - es lockt nur grössere Tiere an!
Wieder im Wasser, kichert Julian (mein Bekannter), dass ihm etwas grad am Fuss vorbeigeschwommen ist. Panisch frage ich ob es sein Ernst war und als er unter lachen beteuert, dass definitiv nichts an ihm vorbeigeschwommen ist, spüre ich plötzlich etwas an meinen Füssen vorbeischwimmen. JA, ich weiss, es war nur Einbildung! Aber Teufel nochmal, das Ufer war mindestens 5 Meter entfernt! "Schau mal, wir sind ein wenig abgedriftet, lass mal wieder näher zu unserem Platz schwimmen." - Gesagt, getan. Nurnoch 3,5m trennen mich vom sicheren Sand und da passiert es; Unerwartet streift mich ein schwimmendes Stöckchen und ein klirrender Schrei löst sich aus meiner Kehle. Völlig entsetzt renne ich ans Ufer. Für diesen Tag war es das letzte Mal, dass ich ins Wasser ging.
Mittlerweile war es schon knapp 17 Uhr und ich wollte nach Hause. Die Jungs blieben noch und so trottete ich den ganzen verdammten Strand entlang (Wieso mussten wir nochmal am Ende des Strandes liegen? Du Penner!) mit einem schmerzendem Fuss und der Abarbeitung panischer Angst.
Mein persönliches Highlight kam aber erst da auf mich zugeschlendert. Ein Inder mit einer Pepsiflasche in der Hand, fing an mich verbal zu penetrieren. In einem gebrochenem Deutsch verklickerte er mir, dass er kaum Freunde findet und meine Höflichkeit nahm von Meter zu Meter ab. Die Bushaltestelle war noch nichtmal zu sehen und das liess meine Laune schnell verschlechtern. Der Inder hörte nicht auf mir Honig ums Maul zu schmieren, aber da ich noch mit der pychischen Abarbeitung meiner Kindheitsangst zu kämpfen hatte, nickte ich nur immer mit dem Kopf und gab ein zustimmendes "Mhmh" von mir. Bei dem Satz "Ich würde dich gerne küssen." zwang ich mich meine Selbst-Therapie kurz zu pausieren und mich doch kurz mit dem freundlich grinsendem Inder auseinander zu setzen. Er tat mir fast ein wenig Leid, als ich ihm ausmalte, dass mein Ehemann sehr eifersüchtig sei und er zuerst mich und dann ihn quer aufschlitzen würde in einem Anfall rasender Eifersucht.
Der Inder gewann Abstand. Aber erst nach der dritten Wiederholung der Geschichte mit meinem imaginären Ehemann, schien er zu verstehen.
Zuhause angekommen, mein Mitbewohner wie erwarten schon da, freute ich mich ihn zu sehen. Meinen imaginären Ehemann. :)
Er half mir Magerquark auf meine roten Schultern zu klatschen und tadelte mich, mehr Sonnencreme solle ich nutzen! Und Montags gibt es auch kein Surface mehr!


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[Michi]: Aber du hast wirklich Angst, da kommt ein ROAR OCTOPUS MIT 5 KÖPFEN UND VIEL HUNGER LOL?
[Nina]: mach dich halt lustig.
[Michi]: naja, Höhenangst ist natürlich (kann man runterfallen), Spinnenangst .. die Viecher sind halt eklig
[Michi]: Aber wenn man weiss, dass es das nicht gibt?
[Nina]: es gibt alles!
[Michi]: zB ein Krokodil unterm Bett?
[Nina]: davor hatte ich nie angst
[Michi]: Ja
[Michi]: weil DEINS von Haien gefressen wurde

Ich fand das einfach so putzig, sorry Michi! :)

Sonntag, Juli 23

Ian Malcom und die Chaostheorie

Seit neuestem verbringen mein Mitbewohner und ich die Samstage immer zusammen. Nicht dass wir unsere Freizeit sowieso schon immer teilen, aber die Samstage sind unsere ganz eigenen Tage. Keiner geht weg, verabredet sich anderweitig oder beschäftigt sich alleine mit irgendwas.
Wir schlafen aus, gehen zusammen einkaufen und planen dann unseren Abend. Manchmal schlendern wir zum Chinesen, manchmal hol ich fix was vom Türken oder es wird einfach bestellt, was leider auch bedeutet, dass wir unsere Teilzeit-Diät in den Hintergrund rücken lassen.
Dazu gibt es dann ein Film-Thema; diesen Samstag Dinos! Voller Tatendrang gingen wir zur Videothek und nach ca 5 min unbeholfenen Suchens nach Jurassic Park 1-3 fragte mein Mitbewohner dann doch etwas errötet die Dame hinterm Tresen. Und tatsächlich, alle 3 Filme waren vorzufinden.
Auf dem Rückweg von der Videothek noch an der Tankstelle vorbei, 2 verschiedene Sorten Chips, Bier, Sprudel, Kippen - Ja, unser Gürtel sitzt im wahrsten Sinne Samstags immer etwas lockerer.

Wir quetschten uns zu zweit aufs Ledersofa (Halleluja, Gott sei Dank haben wir nicht Hochsommer), warfen uns Chips und Alkohol in den Rachen und rauchten als würden wir nur durch Nikotin atmen können.
Unser Interesse driftete irgendwann von der Story des Films hinweg zu "Findet Walter" - Suchspielchen. Viele kleine Fehler in dem Film liessen uns zu Kritikern erster Klasse mutieren, wir rissen den Film auseinander wie der T-Rex den bösen Anwalt und regten uns über die Klischeevermarktung einiger Charaktere auf. Nein, eigentlich ALLER Charaktere.
Als Beispiel: Der dicke Computerfreak, der triefend vor Fett nichtmal durch seine Brillengläser gucken kann, sein Arbeitsplatz eine Müllhalde voller Schokoriegelverpackungen, sein Desktop geziert von einer graziösen Pornoschlampe. Und das inmitten einer High-Tech Anlage, die an Sterilität sogar einen OP-Saal der Kardiologie übertreffen würde.
Was uns aber erst richtig in Fahrt brachte, waren kleine Fehler im Schnitt und der Umgebung.
Gegenseitig anstachelnd nahmen wir Jurassic Park Schnitt für Schnitt unter die Lupe, mein schwitzender Mitbewohner kaum noch aufzuhalten, ich schon leicht erschöpft.
Und so kam es, dass wir um Punkt 00.09 Uhr MEZ drohten wegzuknicken. Ineinander versunken schafften wir es grade noch auf allen Vieren ins Bett zu kriechen.

Für nächsten Samstag ist Indiana Jones geplant.
Ich fürchte dass wird ein noch kürzerer Abend... kritisieren erschöpft sehr schnell.

Mittwoch, Juli 19

Sometimes, i'm gone..

Ich bin unzufrieden. In jedem Maße.
Mein letzter Post ist schrott, aber man soll ja zu seinem Gedankenmüll stehen.
Mein Gefühlsleben breitet sich auf meine Art zu schreiben aus. Ich bin entschieden dagegen. Ich möchte meinen altgeliebten Stil wieder haben. Ich möchte nicht, dass meine Einträge sich nach meiner persönlichen Gefühlslage richten.
Ich möchte nicht sehen, was ich sehe.
Um es auf einen Punkt zu bringen:
Ich möchte garnichtsmehr.

Verschwinde Gewissen! Verschwinde Moral! Verschwinde Ethik! Ich brauche euch nicht!

Wer braucht Ehrlichkeit, wenn doch Lügen Freiheit bieten?
Wer braucht Loyalität, wenn doch der Gewinn höher sein kann?
Wer braucht Treue, wenn doch die gleichmässige Aufteilung der Zuneigung mehr Egoismus aufbaut?
Egoismus an die Macht! Nur ich kann mich lieben, mich ehren, mir treu und loyal sein.

Ich danke Dir für das nächtliche Gespräch. Ich ahne, dass Du diesen Text lesen wirst (oder es grade tust).
Alles verändert sich stetig, nur wir beide sind in einem Hamsterrad kurz vor der Verrottung, keins unserer Augen sieht das Päckchen des Anderen. Ich freue mich, dass Du mittlerweile ein Bein aus dem Rad baumeln lässt und weine weil ich dir nicht folgen kann. Aber vielleicht schaffe ich es irgendwann alleine mein Rad wieder zum laufen zu bekommen - isoliert, aber immerhin wird es wieder in Bewegung sein. Und ich weiss: Du wirst mit schier unendlicher Energie um meine Unnahbarkeit rennen und ich werde dich sehen.

There's a Dinosaur!

Montag, Juli 17

Die Rückkehr des Wal-Marts Part 1

Nun, wer meine Posts schon etwas länger verfolgt, kennt meine einschlägigen Erfahrung mit dem Wal-Mart meines Misstrauens.
Samstag Nachmittag war es also wieder soweit; bewaffnet mit Leergut, Stoffbeuteln und einem Korb zogen wir Richtung Süden. Quasi unsere Strasse raus, rechts, über die Strasse, da.
Und wie es leider viel zu oft der Fall ist, so werden wir auch diesesmal von einer Frau (Es) begrüsst, die nach Charly Cocktail aussieht. Etwas ängstlich, Es könnte beissen, versuche ich die Frau mit den lilanen Augenringen und dem Würfel in der Hand zu entkommen - doch ihre Arme sind unermesslich lang. Tentakelhaft schlängeln sie sich über meine Schultern, hinauf zu meinem Hals und mit einem entsetztem Schrei, der das Würfelmonster offensichtlich beeindruckt, schaffe ich es noch grade rechtzeitig aus ihren Fängen.
Etwas unter Adrenalin stehend, stelle ich mich zu meinem Mitbewohner der auch noch keuchend und froh über sein Entkommen bei der Leergutannahme wartet.
Doch auch hier treiben sich grässliche Kreaturen rum, die sich im Wal-Mart heimisch fühlen.. die Hyänen der Einkaufswelt.
Um eine blaue Tonne kreisend, in den die Leute ihre Flaschen werfen, wenn jene Probleme mit den Automaten ergaben, gestalten sie den Raum für Abstossung gebrauchter und angesabberter Ware etwas einengend.
Doch nun fangen wir erst mit der Pirsch an. Jurassic-Park-like werden wir durch ein riesiges Tor gedrängt wie eine Herde Schafe auf die Koppel und in diesem Augenblick geschieht es. Unser Kopf fängt an panisch umherzudrehen, alle Ecken gleichzeitig zu inspezieren. Ja, plötzlich fühlen wir uns nichtmehr wie Jäger - eher wie die Gejagten. Überwachungsmonitore überall über uns, wie Augen in denen wir unsere Spiegelbilder erkennen können. Die Crew mit den blauen Mänteln kreist uns langsam ein, wie Raptoren kurz bevor sie ihr Opfer als Gruppe zerfleischen. Wir versuchen uns aus der Menge zu lösen und in ein dunkles Versteck zu flüchten - und landen in der spärlich eingerichteten Multimedia-Ecke.
Mein Mitbewohner kommt aus dem Staunen nichtmehr raus, während ich immernoch zitternd versuche den Abstand zwischen den Blaumäntelraptoren und uns abzuschätzen.
Langsam entspannend schaffe ich es mein dominantes Anhängsel zur Brottheke zu zerren. Übrigens darf ich den Wagen noch immer nicht anrühren.
Endlich, da haben wir es geschafft - die Jagdfelder liegen vor uns, gefüllt mit gefrorenen Artikeln aller Art. Wir brauchen nur unsere warmen Finger in die kalten Truhen halten und sehen was anbeisst. Egal was es ist, wir nehmen es. So kommen wir auf eine bunte Mischung aus Calmari, Pizza und Knoblauchbaguettes. Meinen grunzenden Mitbewohner scheint die Beute offensichtlich zu befriedigen, ich allerdings sehne mich nach etwas Neuem! Etwas gefährlichem! Halblebender Beute! Und so wage ich mich an die Frischfleischtheke, ungemerkt beobachtet von einem Raptor, und greife nach Hackfleisch. Der Raptor nutzt meine momentane Schwäche sofort aus und stürzt sich auf mich. Seine Krallen schneiden sich in mein Fleisch und ich merke wie Blut aus meinen Ohren sickert. Ja, er redet mit mir. Er redet immernoch. Und er will nicht aufhören.. zu Hilfe! Todesmutig stürzt mein Mitbewohner mir zu Hilfe, lenkt den Raptor kurz ab und kleinen Schrittes flüchten wir mit unserer ausgeweideten Beute Richtung Ausgang. Verwirrt und allein zurückgelassen an der Frischetheke, empfinde ich während unserer Flucht ein wenig Mitleid mit dem Blaumantel..
Doch ein Schrecken lag noch vor uns. Wir mussten wieder an Es vorbei.
Kurz vor dem Loch indem Es sich versteckt, setzen mein Mitbewohner und ich einen unausgesprochenen Plan durch - wir hoben die Beutel und den Kasten auf Kopfhöhe, täuschten rechts an und schlidderten links an Es vorbei. Während wir die Schleuse zur Bakterienentfernung passierten, sah ich noch wie die lila Augenringe uns sabbernd und enttäuscht nachsahen.
Diesmal hatte Es noch nicht damit gerechnet..

..aber mir graut es schon vor der nächsten Jagd.

Sonntag, Juli 16

Antipathy

Ich habe 2 Tage oder länger gegrübelt, was ich als Aufhänger für meinen nächsten Blog nehme und bin fast verzweifelt, weil mir nichts einfiel. Niente. Nada.
Die Tatsache, dass mein Köpfchen sich nichtmehr damit beschäftigen will, Alltäglichkeiten zu zynischen Einträgen zu extremisieren, enttäuscht mich. Und was könnte man daraus lesen? Ich sei eingebildet. Und genau das nehme ich mir, nach einer heutigen Unterhaltung (oder eher 3-sätzigem Gedankenaustausch) mit einer mir fremden Person, als Versuch mich neu zu formulieren.

Ich sitze also hier, unterhalte mich mit einem flüchtig Bekanntem. Er trifft mich etwas, als er mir unterstellt, dass meine Intention darauf liegt, Trashtalk unters Volk zu bringen. Durch den kleinen Kratzer fühle ich mich provoziert. Ich hole weeeeeiiiit aus, der Paddel schnappt nach Luft um mehr Schwung aufnehmen zu können, und BAM. Da sage ich es. Ich habe mich so direkt und aufdringend formuliert, dass jegliche Interpretationsfreiheit genommen wird. "Durch mein Studium bedingt, kann ich dich im Thema Politik in Grund und Boden quasseln.", und es folgen noch der ein oder andere Stich, der sein Ziel nicht verfehlt. Ich kenne die Schwäche meines Gegners und ich habe sie vollkommen ausgeweidet. Gut, war nicht nett von mir, kann auch locker als arrogant und eingebildet definiert werden. Ich bin nicht stolz auf meine manchmal sehr direkte, aber dennoch realistische Art, aber ich halte sie dennoch für erforderlich.
Jedenfalls mischt sich sofort eine 3. Person ein, der stille Beobachter in diesem Fall, und schlägt mir meine Arroganz missinterpretiert ins Gesicht. Der letzte vernommenene Satz "[...] du bist eingebildet." wird von mir mit einem trotzigem "Und?" beantwortet.
Gesprächsende.
Ein 4. Beobachter, der mir wesentlich näher steht, spricht mich nach dem Gespräch persönlich an.
"In einem Moment wirkst du wie ein kleines Bluemchen, das vom kleinsten Windstoss umgepustet werden könnte - im anderen dann wie .... ein Baum?"

Abgesehen von persönlichen Aspekten frage ich mich;

Ist Arroganz, egal wie wahrheitsgetreu sie ist, wirklich Arroganz? Ist es die Art wie man die Wahrheit sagt, schmerzhafter als die Wahrheit an sich?
Was verletzt Menschen so, dass sie sich wie ein Baum aufstellen und eine Kraft zu entwickeln scheinen, die wiederum andere Menschen verletzen kann?
Wie gesund ist Arroganz? Wie hinderlich?

Über diese Fragen hab ich mir noch nie wirklich Gedanken gemacht, aber heute nehmen sie sich einen berechtigten Platz in meinen Gedanken.
Und nachdem ich diesen Post geschrieben hab, muss ich feststellen, dass mein Zynismus immernoch verschollen ist. Deprimierend.


.. "can it be hug time now plees?"

Dienstag, Juli 11

Abkühlung

Abkühlung

Daß ich älter werde, merk ich daran,
Nicht daran, daß ich bequemer werde,
Sondern daran: gegen jedermann
Habe ich was: Nörgelei und Beschwerde.

Philosophisch bin ich wohlwollend bewegt
Von allgemeiner Menschenliebe.
Aber praktisch hat sich mein Bedürfnis gelegt,
Mich an Menschen zu binden. Ich bliebe

Am liebsten in meinen vier Wänden.
Die Antriebe sind mir abhanden gekommen,
Mich ohne Rücksicht auf mich zu verschwenden.
Ich habe mich in mich zurückgenommen

Und sitze wie ein Buchhalter da,
Der ein Kapital, im Auftrag, für Zinsen verwaltet.
Ich weiß nicht, wann das mir und was mir geschah.
Bin ich plötzlich oder allmählich erkaltet

Und kann ich noch auftaun? Paläontologen
Haben Gesetze der Eiszeit geschrieben.
Ich habe mich nie gern selber betrogen:
Ich werd nicht mehr auftaun. Ich müßte denn -
lieben

Eva Strittmatter *1930

Mittwoch, Juli 5

Aus, aus, das Spiel ist aus! Deutschland ist...

.. raus.
Ja ja, schade Deutschland. Dabei hat sich unser Land doch durch die WM neuentdeckt und lieben gelernt. Das ist zumindest die Floskel, die den Gang durch die Nachrichten nimmt.
Aber zu den Medien möchte ich mich heute ausnahmsweise nicht äussern.

Heute möchte ich bloss meinen Gedanken freien Lauf und den Worten Selbstständigkeit lassen.

Hände, fähig zu berühren, zu vermitteln. Gefühle agieren. Gefühle zeigen. Und doch wird so manche Hand von der ein oder anderen Narbe gezeichnet sein. Im Augenblick der Entstehung mochte sie unendlich geschmerzt haben, ein Schmerz der uns die Sinne schärfen liess und tiefe Wunden bluteten aus. Selbstmitleidig trauerten wir um jeden Tropfen und erinnerten uns an die Zeit in der wir dachten wir könnten ohne sie nicht leben. Und im Augenblick der Trennung, im Augenblick des Bewusstseins, dass wir etwas verlieren, was doch eigentlich zu uns gehört, fragten wir uns wie wir ohne diese Tropfen weiterleben können. Denke ich heute an diesen Augenblick der Entstehung zurück, so vermag mein Bewusstsein nur einen kleinen Stich zu vermerken. Wie konnte ich so töricht sein und denken, dass ich ohne diese Tropfen nicht leben kann?
Und doch weiss ich, weitere Narben werden kommen und sie werden mich wieder schmerzen und wieder werde ich denken, dass ich ohne diesen Teil von mir nicht weiterleben kann. Es ist nur menschlich, Angst vor Schmerzen zu haben. Schmerzen die auch, sooft wir sie erleben, niemals weniger werden. Niemals werden wir uns daran gewöhnen. Niemals werden Narben zu vermeiden sein. Sie machen uns einzigartig, individuell, sind unser Erkennungsmerkmal und erinnern uns an das was einmal war...

...und was kommen wird.

Dienstag, Juli 4

Eine Welt zu Gast bei Paranoiden!

Es ist kurz vor 7 Uhr auf einem Dienstag Morgen. Ich schaue Nachrichten und natürlich ist Fussball wieder das Thema. Heute spielt Deutschland gegen Italien im Halbfinale dieser hochgelobten und überflüssigen Weltmeisterschaft.
Wir nehmen jetzt bitte folgende Worte auf und versuchen sie zu verbinden, ohne gleich terroristische Anschläge darauszusehen.

- Bruno, der erlegte Braunbär
- Fussballweltmeisterschaft
- Deutschland gegen Italien

Füge man diese Worte wild aneinander kommt dabei (laut einer Nachrichtensendung) herraus:
Die Italiener sind uns böse gesonnen und versuchen uns zu manupulieren! Bruno stammt aus italienischer Familie, nahm wohl das Motto der WM als Aufforderung Deutschland zu besuchen - "Eine Welt zu Gast bei Freunden" - und wurde von den kaltblütigen Deutschen erschossen. Ausserdem habe eine italienische Nachrichtensendung zu verantworten, dass ein deutscher Fussballspieler für das heutige Spiel (gegen Italien, ja, nicht vergessen) gesperrt ist.

Dabei schlucken wir beiläufig den Grund für die Sperre jenes Spielers und tunken unsere kalten Finger in eine dreckige Schale voller Unschuld.
Kann mir jemand verraten, was sich die Verfasser solcher Beiträge eigentlich denken? Denken sie überhaupt? Und wenn ja, wie? Suchen sie sich die derzeit präsentesten Themen, nehmen ein Wort das sofort mit der ganzen Komplexität um jenes Thema verbindet und stecken sie einfach aneinander? Die Lücken gefüllt mir verbaler Diarrhö und kurzen Blicken auf die geistige Insuffizienz des Verfassers lecken sich die Klatschsüchtigen anscheinend nach genau soetwas die Finger. "Bild"-Zeitung mit Ton und ohne umblättern direkt ins Haus geliefert.

Wenn dann aber der Spiegel eine Reportage unverblümt und auf Tatsachen aufgebaut durch die Bildröhre hämmern lässt, schalten die meissten auf Glasblick oder empören sich. "Ihh sowas gehört aber nicht ins Fernsehen.. die zeigen dort wie Menschen im Krieg direkt in den Strassen von Bagdad umgeschossen werden."

Nein, die Gesellschaft braucht keine Wahrheiten. Die Gesellschaft braucht keine Bilder von Toten und Krieg, von Krankheit, Armut und dem deutlichen Finger der uns an die Wand stellt.
Die Gesellschaft braucht nur zu Wissen mit wem David Beckham schon alles gevögelt hat.

Stehe ich so alleine? Wieso nimmt nur eine Minderheit wahr, was um uns herum wirklich passiert und wo die Gewichtungen liegen sollten?

Wacht auf! Schlaf schützt uns nicht vorm altern!

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