Mittwoch, September 20

Tatü Tataaaa

Seit Wochen ist der Krach in unserer Strasse kaum aushaltbar. Schon morgens vor 8 Uhr fangen die Bauarbeiter hier im Haus das bohren, hämmern etc an. Vergessen wir nicht die Kreissäge. Die ist immer so freundlich und bereitet einem Kopfschmerzen der besonderen Art. Direkt hinter den Augen, als würde für jede Minute Kreissäge ein Stück Sehnerv absterben. Danke für diese einmalige Erfahrung! Die fleissigen Bauarbeiter kennen nichtmal eine Mittagspause. Die Kreissäge läuft auch normal von 12-15 Uhr, also direkt in der Mittagsruhe. Aber wen störts? Mich nicht, meine Augen waren mir eh oft zuwider! Und sollte um 16 Uhr endlich Feierabend sein, so gibt es da noch Uschi. "Pinky!!!!!" - "Haben sie meine Katze gesehen?" - "Piiiiiiinky komm zu Mama!"
Ich stehe kurz vor einer Mischung aus Nervenzusammenbruch und komplett-Ausraster. Nicht gerade selten musste ich mich die letzte Woche zusammenreissen um nicht die Fenster aufzureissen und Uschi meine Meinung über Ruhestörung entgegen zu spucken.
Für die Bauarbeiter hatte ich mir was anderes ausgedacht. Sowas wie "Ich bin psychisch gestört und sehr labil und wenn die Belastung zu gross wird, nehme ich den Revolver meiner Nachbarin und laufe Amok. Ich bevorzuge Männer in weissen Anzügen, wahlweise dürfen sie auch dunkelgrün und blau sein." Leider kam ich nie dazu meine Aversion gegen Lärm wirklich auszuleben. Denn ab heute ist Ruhe. Und ich geniesse es mit einem breiten Grinsen.
Gestern Abend, sehr spät, hämmerte die Polizei gegen unsere Tür. Ob wir Räuchterstäbchen anhätten..? Nein, haben wir nicht! Sie wiesen uns auf den verkohlten Geruch im Treppenhaus hin. Es roch wie bei uns im Badezimmer. Was vielleicht daran lag, dass just in dem Moment fast unsichtbare Rauchschwaden durch unseren Badezimmerlüfter zogen. Wir nahmen dass nicht ernst. Die Italiener und Portugiesen grillen zu jeder Jahreszeit ihre Fische.
Nichtmal 2 Stunden später hämmerte man wieder gegen unsere Tür, diesmal eine Nachbarin mit kurzen verwuselten Haaren, ungeschminkt im Pyjama. Sie wohnte 1 Stockwerk über uns, auf der anderen Seite. Sie erzählte uns, dass bei ihr der Rauchgestand immer schlimmer wurde und die Polizei wieder rief. Achja, die Rauchschwaden zogen jetzt schon aus dem Keller hoch. Sah wirklich interessant aus. Es dauerte nicht lange und die ganze Meute versammelte sich vor unserer Tür. Feuerwehr, Polizei, eine Traube von schaulustigen Nachbarn. Die von Gegenüber sassen sich einfach auf ihre Fensterbänke. Quasi der Logenplatz. Mein Mitbewohner und ich zogen es allerdings vor, uns darüber lustig zu machen. Er sass desinteressiert auf dem Bürostuhl, ich stand am Fenster und beobachtete die anderen Menschen. Dabei fielen dumme Sprüche über Explosionen, eventuelle Spaziergänge (er ohne mich, ich solle hier warten und gucken ob wirklich eine Explosion stattfindet), Schinkenherstellung, Brandstiftung von Uschi um mich auszräuchern und noch wesentlich geschmacklosere Dinge. Aber wir waren hocherfreut und fast euphorisch über das gemütliche Feuerchen, dass sich im Kellergeschoss ausweitete. Wir warteten geduldig auf die Evakuierung. Die Feuerwehrmänner hämmerten und klopften wie die bescheuerten, gedächnislosen an unsere Tür. Ich versicherte ihnen jedesmal das Gleiche: "Uns geht es gut, wir leben, nur im Badezimmer ist der Teufel los, wann werden wir evakuiert und gibt es gratis Pizza?" Letzteres wuchs auf den Helm meines Mitbewohners. :D
Etliche Stunden später war das Feuer endlich gelöscht, die Nachbarn wieder in ihre Wohnungen verkrochen, die Feuerwehr langsam abgezogen und der Gestand unerträglich. Bis auf 2 Polizisten, jung und knackig, war niemand mehr da. Sie warteten auf den Schlüsseldienst, da sie bei unserer Nachbarin die Tür aufgebrochen haben, die war nämlich nicht da und ihre Wohnung stand auch schon fast in Flammen. Also zog ich mich nochmals an, ja mitten in der Nacht, beiger Rock und Schokobraunes Top, und brachte den Müll raus. Ja, ich habe eine Schwäche für authoritär wirkende Männer. Und ich flirte gerne. Aber wer tut das nicht? :)
Und die netten Herren verrieten auch gleich: "Wenn die Bauarbeiter morgen früh hier antanzen und nicht wissen ob sie weitermachen sollen oder nicht, dann sagen sie ihnen, dass das natürlich verboten ist!"
Ich grinse immernoch.

Weltenbummler

Meine Familie belastet unendlich viele Probleme und weil jene kaum aushaltbar sind, ist unsere Familie keine Familie mehr, denn jeder hat sich irgendwie losgelöst und geht eigene Wege. Allein. Ich erwähnte ja schon meinen Bruder und meine Sorgen um ihn. Nun habe ich eine Nachricht bekommen, die meine Vermutungen leider komplett untermauert. Er muss in eine Klinik für Kinder und Jugendliche mit Verhaltensstörungen.
Diese Nachricht traf mich im ersten Augenblick wirklich unerwartet. Er hat am 6. einen Termin, soll sich die Zimmer dort ansehen. Auf meine Frage, wessen Anordnung es war, bekam ich die plumpe Antwort "Tim's Hausarzt!". Natürlich, der kommt auch einfach so vorbei und beobachtet meinen Bruder wochenlang passiv und entscheidet dann über die Behandlung. So ein verhurter Schwachsinn. Ich weiss auf wessen Mist das läuft. Und ich weiss, dass er es sich nur wieder einfach machen will. "Daddy wirds schon richten." Wenn ein 17jähriger rumbockt und sich zurückzieht, abweisend ist, nurnoch seine Ruhe will, sich einquartiert, nicht essen will und pro Nacht nur 3 Std pennt, dann kommt das nicht von irgendwoher. Und ich weiss wovon ich spreche, ich war auch mal Teil dieser Familie. Und ich weiss, verdammt nochmal, wo die Gewichtungen bei euch egozentrischen, arroganten Vollpfosten liegen. Ich bin so unglaublich wütend. Du hast doch selber schuld! Hast deinen Sohn nicht unterstützt, es sei denn er spielt Fussball, denn Fussball ist toll! Du hättest ihn schon lange auf andere Wege führen können, seine schulischen Leistungen lassen auch nicht aus Spass einfach nach. Aber ihr blöden Erwachsenen, ihr dummen Eltern, ihr wisst alles besser, so spricht euer Egoismus. Ihr seid so gestraft mit dem jetzigen Verhalten eurer Kinder? Ich hab' die Antwort für euch: Ihre Charaktere sind schon im Kindesalter gestorben und ihr habt sie zu dem gemacht was sie heute sind, wie sie heute sind. Ihr habt gegenseitig weggeschaut, wenn die andere Partei übergegriffen hat, ihr habt uns aufgehetzt nach eurer Trennung, uns benutzt. Und wo seid ihr nun? Mommy ist hunderte von Kilometerm weggelaufen, ihre Kinder aufgegebend, ihr Egoismus gewinnend. Aber wir beide wissen, werte Mutter, dass du schon sehr viel früher, noch während unseres Zusammenlebens, alles aufgegeben hast. Du hast aufgehört uns zu lieben, für die Liebe anderer Männer.

Ich möchte noch etwas zitieren:

"Ich war mit einem Freund meines Stiefvaters unterwegs, wir hatten Spass und ich fühlte mich geborgen und verstanden. Aber ich war zu jung und musste wieder nach Hause, wo meine Mama und mein Stiefvater zusammen mit vielen Verwandten sassen und feierten. Ich glaube sie feierten sogar meinen Geburtstag.
Ich brach vor der Haustür zusammen und weinte so bitterlich, wie ich es selten in meinem Leben tat. Irgendwer, mir gut zuredend, brachte mich in die Wohnung. Ich erinnere mich nichtmehr an den Auslöser, aber ich rannte wütend und weinend auf meine Mutter zu, die inmitten aller Gäste sass, und schrie sie an: "Was bist du für eine Mutter? Was bist du für eine Mutter hm? Was bist du für eine Mutter? .. Liebst du mich?" und ich sah dass ihre Augenränder rot wurden, als würden sie von Tränen gereizt. Sie sah mich an, direkt in die Augen und sie sagte einfach "Nein". Ich rannte nach vorne gebeugt, keuchend als würde mir der Sauerstoff ausgehen, in die Küche und öffnete die Schublade mit dem Besteck. Zwei scharfe Messer blitzten mich an, gross und das eine mit hellem Griff. Ich nahm genau dieses heraus und wollte es mir ins Herz stossen. Und in diesem Augenblick realisierte ich, dass alle Gäste, alle Verwandten, die Zeugen der Auseinandersetzung meiner Mutter und mir waren, immernoch dort sassen. Im Wohnzimmer, verlegen, mitleidig für meine Mutter und mich schweigen. Ich war ihnen egal geworden, mein Tod würde sie kurz schockieren, aber nicht verletzen."

Wenn Albträume Realität werden..

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