Donnerstag, August 31

Blick in die Ferne

Ich überlege hin und wieder über was ich schreiben soll, aber allzuoft verwerfe ich die Gedanken, da sie mir zu weit weg erscheinen. Worüber also schreiben, wenn die Vergangenheit doch so schmerzt und aktuell nichts geschieht?
Ich habe nie an das Naheliegenste gedacht, an Lena.
Aber wie schreibt man eine Einleitung über einen Menschen, den man am meissten liebt, aber auch am weitesten von sich gestossen hat? Wir kennen uns seit so ewig langer Zeit und wir sind durch mehrere Abteilungen der Hölle gewandert, als Kinder, als Teenies, als Möchtegern-Erwachsene und ja, auch als Erwachsene. Wir sind zusammen gereift, aber in so verschiedene Richtungen, dass wir einander verloren haben.
Ich möchte aber, wie oben erwähnt, nicht in schmerzenden Erinnerungen wühlen, sondern eher an das denken, was einen zum lachen bringt. Zumindest bringt es mich zum lächeln.
Dass wir beide durchweg einen an der Klatsche hatten ist unumstritten. Kaum trafen wir aufeinander, schon gab es nur lachen, dumme Scherze, lauten Streit. Wir sind beide sehr laut und somit immer einen Hingucker wert, wenn wir in die Öffentlichkeit treten.
Am liebsten erinnere ich mich daran, wie wir vor 3 Jahren im "Findet Nemo" Fieber steckten. Lena steckte zu der Zeit in einer schulischen Ausbildung zur Kindergärtnerin und rief mich gerne des Abends an: "Ich muss bis morgen früh einen 8-seitigen Aufsatz über die sozialen und körperlichen Entwicklungen von 3-5jährigen schreiben." Sie musste nicht darum bitten. Ich tat es gerne und auch nur für sie. Dieser Teil unserer Freundschaft war so sicher und auch so angenommen wie es eben war. Sie weiss, dass sie in schulischen Dingen eher schlecht ist, ihre Aufnahmefähigkeit und Konzentration ist begrenzt und wir beide wissen, dass ich in dem Teil einfach die Geeignetere bin. Also trafen wir uns um 22 Uhr an der S-Bahn-Station, fuhren zusammen zu ihr nach Hause, hielten unterwegs noch bei McDonalds (wie jeden Abend), lachten und weinten zusammen. Als wir am Leipniz-Platz nach unseren Milkshakes in den letzten Bus Richtung Lena's Wohnung stiegen, waren wir schon völlig überdreht. Die ganze Zeit über sprachen wir laut "Walisch" und fingen an "Einfach schwimmen, schwimmen, schwimmen!" zu singen. Dazu kicherten wir oft, natürlich auch sehr laut. Dem Busfahrer schien aber an dem Abend besonders leicht die Luft auszugehen. Wir flogen einige Kilometer vor Lena's Wohnung aus dem Bus und lachten auch darüber. Als wir gerade unsanft aus dem Bus stolperten, klingelte auch schon mein Handy und mein damaliger Freund "Peter" verstummte sofort, als er am anderen Ende das laute Gekreische und Walisch-Gequatsche hörte. Lena, mit ihrer frechen Klappe, schrie sofort los und machte sich über Peters Namen in allen möglichen Stimmen und Sprachen lustig. Am liebsten hallte es im Offizierston "Pedda!" durch die Gegend. Im Angesicht dessen, dass es weit nach 23 Uhr war, mitten in der Woche, und wir noch einen Aufsatz über mehrere Seiten vor uns hatten, schien unsere Laune sich nur zu heben.
Wir standen beide circa 15 min vor einer Wandzeichnerei, die einen -> Delphin <- darstellte, aber wir sprachen trotzdem mit ihm walisch und hofften eine Antwort zu bekommen. Wir waren nüchtern. Mag uns aber jetzt keiner mehr zu glauben.
Irgendwann schafften wir es endlich in ihre Wohnung und warfen uns aufs Sofa. Lena holte den Papierkram für ihren Aufsatz und ich fing an mich einzulesen. Sie setzte Tee auf und liess mir meine Zeit, mich mit dem Stoff auseinander zu setzen. Dann schrieb ich für gewöhnlich alles vor und sie schrieb es einfach ab. Zwischendrin machten wir eine Pause und gingen mit ihrem Hund raus. Es war etwa 2.30 Uhr nachts. Wir gingen direkt an der Weser entlang und genossen die sternenklare Nacht mitten im Winter. Es muss Januar gewesen sein. Wir setzten uns auf die Kanten einer zugefrorenen Bank und gestanden uns ein, dass wir voneinander abhängig waren. Nicht mit Worten, denn plötzlich waren wir stumm. Der einzige Satz, der fiel: "Wir sollten viel öfter nachts hier spazieren gehen...".

Ich wünsche mir, die Zeit zurückdrehen zu können. Schleich dich wieder morgens um 8 in meine Wohnung, komm ins Schlafzimmer gesprungen und wirf dich wieder auf mich rauf, weck mich mit deiner lauten Art, mit Brötchen auf der Kommode und gib mir das Gefühl zu leben!

Dienstag, August 22

Montag

Montag ist mein Hass-Tag. Es ist die Nacht in der ich nie schlafen kann. Ich liege stundenlang wach im Bett und denke über Dinge nach über die ich definitiv nicht nachdenken möchte oder ich versuche mich mit fernsehen und dem PC abzulenken.
Manchmal verbinde ich die Elemente und schaue mir einen Film über den PC an.
Heute nacht traf es "The Hills Have Eyes". Ich wollte ihn mir im Kino ansehen, aber niemand wollte sich das antun. Alleine ins Kino ist aber nicht so mein Ding, also doch zuhause gucken.
Nach 30sek hab ich ihn wieder ausgemacht. Spitzhacken die sich in Köpfe und Körper rammen sind mir zuviel. Immerhin sitze ich alleine im stockfinsterem Wohnzimmer. Kreischgefahr.

Ich bleibe also beim gammeln mit Nachdenkgefahr.
03.31 Uhr.
Frustration.
Ich denke darüber nach, wieso Menschen sich in Dinge einmischen, die sie nichts angehen. Es kommt immer einmal vor, dass 2 Personen aufeinander treffen und ein negatives Ereignis daraus entsteht. Geht es dann nicht nur die Beiden etwas an? Warum mischen sich Dritte ein, die überhaupt nicht wissen was passiert ist, aber erstmal Partei ergreifen. Egal wie objektiv sie vorher waren, auf einmal sind sie das gemeine Volk, dass sich für einen Herrscher entscheidet. Sie heucheln und intrigieren um sich ihrem Idol gegenüber noch loyaler zu zeigen. Ich verzichte darauf, ich brauche niemanden der mir die tröstende Hand hält, die nichtmal mehr weint.
Es nervt mich so ungemein, dass andere Menschen sich in meine Angelegenheiten mischen, selbst noch nachdem ich persönlich damit abgeschlossen habe. Wieso ist das so? Uneingeschränkte Liebe oder doch nur nervtötende Schleimerei?
Aber wieso sich beide Seiten der Medaille anhören und versuchen den Disput zu lösen..?

Machen wir weiter wie gewohnt und hetzen, ist doch viel spannender.

Get lost.

Sonntag, August 20

Zitat: "Whatever!"

Mein Blog liegt im Koma, der letzte Post scheint schon Lichjahre entfernt.
Aber mir fehlt derzeit die "Muse".
Es passiert einfach nichts. Und ich kann mir ja nichts aus den Fingern saugen.
Von daher, etwas Geduld. :)

Auch Komapatienten brauchen eine Reha.

Montag, August 7

Heute..

..erobere ich die ganze Welt!

Jawoll! :)

Die lieben Nachbarn..

Ich bin in einem recht lebhaftem Viertel wohnhaft. Hier tummeln sich Italiener, die Fische auf offener Strasse grillen, Weinhändler, die den ganzen Tag vor ihrem Geschäft sitzen und auf portugiesisch Mädchen bewerten und jede Menge Freidenker. Ein kultureller Mischmasch aus friedlichen Menschen die ihr Leben leben. Und es gibt Uschi.
Uschi ist das, was einige Menschen als Dorn im Auge betiteln. Ich nenn es lieber die Beulenpest.
Meine erste Begegnung mit der lieblichen Uschi war doch noch recht interessant, geradezu faszinierend. Ich kam vom einkaufen, vollbepackt mit schweren Tüten die sich in mein Fleisch schnitten. Ich hatte es fast geschafft, ich sah die Haustür schon, nurnoch 10 Meter! Da passierte es.. mal abgesehen von der Blamage, von einer Frau überholt zu werden die älter ist als ich es jemals werden möchte, fängt sie an mich vollzublubbern. Blubb blubb blubb.. und es hört nicht auf?! Sie fragte nichtmal nach meinem Namen, sie erzählte einfach. Ich glaube irgendwo mittendrin vernahm ich den Satz, dass sie einen ehemaligen Bewohner unseres Hauses umgebracht hat, weil der einen Blumentopf in ihren Vorgarten warf, während sie sich dort sonnte. Mein Mitbewohner bestätigte mir übrigens, dass der Mann über uns tot aufgefunden wurde. Der war aber erst 37 oder so. Aber bevor Uschi diesen Artikel über sich findet und ich zu einer Kronzeugin für ihre gestandene Tat werde, möchte ich einfach mal über diesen mysteriösen Todesfall hinweg sehen.
Also, meine erste Begegnung mit Uschi war ein ihrseitig geführter Monolog über ihr Leben und eventuelle Morde. Kein Punkt, kein Komma, kein "Oh, das sieht schwer aus! Sie sollten den Einkauf lieber reintragen! Sickert ihnen Blut aus den Ohren?". Nein, keine Gnade.
Wie ich es doch geschafft habe, mich aus ihren Mundwickeln zu retten, weiss ich heute nichtmehr.
Es vergingen Wochen ohne ein nochmaliges verbales Attentat seitens Uschi. Ohne ein direktes.
Der Sommer allerdings, der verfluchte Sommer. Er liess Uschi geradezu aufblühen. Das Erste was man morgens vernimmt (meisst der Grund des verfrühten Aufwachens) ist Uschi und auch der letzte Ton des Abends wird von Uschi bestimmt. Sie brüllt durch die Strasse, streitet sich mit jedem Nachbarn, droht kleinen Kindern und sollte sie doch einmal schweigen, kommt Pinky und übernimmt ihren Job. Pinky ist Uschi's Katze. Das arme Ding wird fast täglich von einem fetten schwarzen Kater vergewaltigt und geprügelt. Nicht, dass man stundenlang gequälte Katzenschreie vernimmt, nein, Uschi kommt sobald rausgelaufen und schreit mit. Man vernimmt dann Katze und Frauchen die ganze Strasse im Duett verfluchend.
Eines heissen Sommertages liess ich mich herab; Ich brachte den Müll raus. Auf der Treppe vor unserem Haus sass eine blonde Frau, ende 20. Wir beäugten uns kur, sagten freundlich "Hallo" und ich trottete weiter mit dem Müll in der Hand.
Zum Müll webringen muss ich unsere kurze Strasse hinunter gehen, dann links abbiegen. Dort ist ein durch 3 Meter hohen Zaun gesicherter Abfallbereich, den man nur mit einem Hausschlüssel öffnen kann. Manchmal steht in diesem grosszügigen Bereich auch Sperrmüll oder ein Mofa, an diesem Tag aber nur ein alter Herd.
Ich warf den Müll in die Tonnen, drehte mich um und für eine Milisekunde gefror mir das Blut in den Venen. Da stand sie und verperrte mir den einzigen Fluchtweg. Uschi mit lustigem Hut und einem aufgesetzten Lächeln. "Den Herd, da müsst ihr aber den Sperrmüll rufen! Das geht ja so nicht, dass hier ein Herd steht. Ruft ihr bitte heute noch den Sperrmüll?!" Ja, natürlich, der Herd gehört mir! Von ca 64 Parteien, die Zugriff auf unsere private Müllhalde haben, kann nur ich für den Herd verantwortlich sein! Nur weil ich grade dort steh, dann muss ich den wohl grade hergetragen haben! Ja, ich erinnere mich! Mein Mitbewohner schnürrte mir den Herd auf den Rücken und ich ging fröhlichen Gemütes die enge und gefährliche Treppe hinab und trug das Ding 90m durch die Gegend! Wiegt ja nichts! Als nächstes wollte ich den Kühlschrank unter dem linken und den Geschirrspüler unter dem rechten Arm spazieren führen..
Ohne weiter auf ihr "RUF DEN SPERRMÜLL ODER ICH STECH DICH AB"-Gebrabbel einzugehen, ging ich wieder Richtung Wohnung. Die blonde Frau sass immernoch hier, ich überlegte kurz ob ich ein freundlicher Mensch bin und fragte sie sogleich "Kann ich Ihnen helfen oder warten sie auf jemanden? Ich kann sie auch schon reinlassen!". Verdammt, es war nur nett gemeint.. sie antwortete: "Aeh ja - ich wohne hier, aber danke.".
...Ok, so lernt man seine Nachbarn auch endlich mal kennen.
Roten Kopfes ging ich in unsere Wohnung und lachte mit meinem Mitbewohner über diese doch sehr irrealen Situationen.
Und heute morgen ist mir dann der Kragen geplatzt. Ich schlief sehr unruhig und bekam sofort beim aufwachen ein Schwindelgefühl, welches ich mit nochmehr Schlaf unterdrücken wollte.
Aber sie schrie! Durch die ganze Strasse! Dem Schlaf entraubt, torkelte ich ans vordere Fenster und hörte dem Gekeife kurz zu. Eine andere Nachbarin beschwerte sich auch schon über Uschis andauerndes Gekreische und in meiner Wut tat ich es ihr gleich. Ich riss das Fenster auf und fragte Uschi in einem freundlich-verschlafenem Ton, ob es wirklich nötig sei den ganzen Tag durch die Strasse zu brüllen. Sie ging sofort in die Defensive und keifte nun in 2 verschiedene Richtungen. Ein drittes Fenster öffnete sich, ein junger Mann starrte ungläubig und noch mit Schlaf in den Augen Richtung Uschi und wollte grad ausholen, als sie ihm zuvor kam und ihm "Du hälst am besten gleich die Fresse!" entgegenschmetterte. Genervt zogen sich alle 3 kritisierenden Parteien zurück in ihre Wohnungen.
Ich machte mir einen Tee und putzte mir die Zähne. Als ich wieder Richtung Wohnzimmer kam, hörte ich Uschi noch immer mit sich selber sprechen. Sie schlich an meiner Wohnung vorbei Richtung Portugiesen. Da wird sie schon die richtigen Ansprechpartner finden! Und wie zu erwarten, schienen jene Uschi wirklich zu unterstützen. Kein Wunder, die wohnen ja auch am anderen Ende unserer Gasse... grrrr.
"Wenn die mich nochmal angreift, hol ich meinen Revolver! Den hat mir mein Vater damals geschenkt und hier in der Gegend muss man sich ja auch zu wehren wissen, falls man mal bei mir einbricht oder so!" - WAS ZUR HÖLLE?! Diese alte Gans ist gemeingefährlich! Nicht, dass sie wahrscheinlich den armen Mann über mir auf dem Gewissen hat, nein, nun hat sie es auf mich abgesehen!
Den Satz mit dem Revolver hab ich übrigens vernommen, während ich eine kurze Schreibpause einlegte und mir einen neuen Tee holte. Seitdem weiss ich, ich gehe nichtmehr von die Tür. Nicht alleine. Höchstens mit Begleitung. Und jene sollte dann bis an die Zähne bewaffnet sein. Und ich spreche nicht von Pfefferspray.. ich will Handgranaten und vollautomatische Maschinengewehre!

Donnerstag, August 3

Müdigkeit

Bis vor 10min lag ich noch auf der Couch und habe ein wenig vor mich hin gedöst. Kristen Barry sang im Hintergrund "Ordinary Life" und die Kartoffeln auf dem Herd sind schon seit etlichen Minuten gar.
Und jetzt frage ich mich, was ist aus mir geworden?
Diese selbstbeäugenden Fragen nerven mich zwar schon, aber trotzdem verlangen sie nach Antwort.
Ich sitze den Nachmittag über vorm PC, schreibe Artikel für dieses und jenes und arbeite ab und zu mal mit einem Freund an Graphiken. Dann gehe ich vielleicht mal einkaufen, räume die Wohnung auf. Montags immer komplett mit staubwischen und all dem Kram. Das Bett wird gemacht und die Kissen auf der Couch wieder angerichtet. Anschliessend setze ich Kartoffeln auf oder bereite das Essen irgendwie anders vor. Und dann warte ich darauf, dass mein Mitbewohner heimkommt.
Ich warte und warte..
und warte..
Nein, das ist nicht täglich so! Aber irgendwie doch zu oft. Mit 21 schon Hausfrau?
Ich sträube mich gegen die Vorstellung, bin aber doch zu faul etwas zu ändern.

Durch mein dösen auf der Couch haben sich die Kissen wieder verschoben.
Dann will ich sie mal wieder richten und schauen was die Kartoffeln machen. Vielleicht bereite ich auch schon die Makrele vor?

Dienstag, August 1

Aufsteigende Wut

In letzter Zeit beobachte ich zunehmend öfter, wie sich andere Menschen und verschiedene TV-Magazine über eine Krankheit auslassen. Es werden Einzelschicksale rausgefischt und veröffentlicht, in der ziemlich aufdringlichen Hoffnung etwas Mitleid für jenes Schicksal aufzubringen.
Ich selber hatte jene Krankheit selber und war 8 Monate in einer Klinik. Ich habe dort andere kranke Menschen kennengelernt und viele Schicksale kamen und gingen. Ich blieb und beobachtete das genesen meiner Mitstreiter. Und wieder musste ich einen draufsetzen und musste länger als alle anderen bleiben! Viele kamen nach mir.. aber sie gingen auch vor mir? Wie kann das sein? Es ist ein altgestricktes Muster.
Und jeder der einmal so krank war und soviele verschiedene OP's von innen gesehen hat wie ich, weiss, dass man sich nie daran gewöhnt. Nie wird man damit abschliessen, egal ob die Ärzte sagen man sei gesund oder man wird sterben.
Manchmal wünsche ich mir, sie hätten mir letzteres gesagt.
Und so sitze ich hier, versuche zu verdrängen und werde von mittelklassigen bis schlechten Reportagen und Artikeln zurückgezogen. Ich fühle mich zurückgestossen in eine vergangene Gedankenwelt und werde wütend.
Niemand sollte darüber schreiben, wenn er es nicht selbst erlebt hat. Wenn er nicht selber den Abgrund überstanden hat oder ihm zumindest widersteht. Denn alles andere klingt für Betroffene verletzend, unverständlich, missverstanden, missinterpretiert. Man fühlt sich in eine Schublade gedrängt, in die man nicht gehört.
Man will keine dieser Schubladen jemals wieder von innen sehen..

Bin ich?

Ich werde 22 und weiss eigentlich nichts von mir.
Ich sehe meine Zukunft nicht.
Ich habe keine Träume.
Ich fühle mich alleine.
Ich finde mich deprimierend.
Ich finde meine Aussagen selbstzerstörerisch.
Ich bin kalt.
Ich bin eigentlich zu mitfühlend.
Ich bin aufopfernd.
Ich bin für jeden da.
Ich bin nicht für mich da.
Ich kann witzig sein.
Ich kann kritisieren.
Ich kann lachen.
Ich weine.
Ich lebe in der Vergangenheit.
Ich kann nicht abschliessen.
Ich kann nicht vergessen.

Ich verzeihe Dir nicht.

I know you.. do I?

In letzter Zeit schwirren Gedanken durch meinen Kopf, die nicht grade witzig sind. Eher traurig.
Eine Menge Menschen lesen diesen Blog, die nichts mit meinem Leben zu tun haben und die mich nicht wirklich kennen. Sie kennen nur das böseartige, immer gegen den Strom schwimmende Mädel, dass mit Unfreundlichkeit um sich wirft und trotz dessen wohl irgendwie gemocht wird. Ob das nun daran liegt, dass ich Brüste habe? Ich glaube schon. Aber das ist mir grade egal.
Ich vermisse meinen Bruder Tim so fürchterlich. Ich habe Angst um ihn und möchte ihn am liebsten sofort zu mir holen, mit ihm Dinge tun, die 17jährige tun sollten.
Mein Bruder sitzt dort alleine in seinem Zimmer bei seinem Dad und spielt den ganzen Tag am PC. Er war noch nie betrunken, hat eine Zigarette geraucht oder war mal unterwegs in einer Discothek. Er ist nen hübscher Kerl, auch nicht dumm. Aber ich glaube er bezahlt den Preis, der mir zustand.
Ich kenne meinen Vater nicht, ich weiss nicht wer er war und wie er war. Ich weiss von ihm, dass er sehr begabt war - Zahlen waren seine Leidenschaft. Meine Mum war Legasthenikerin, bekam das erst im Laufe ihrer Berufskarriere in den Griff. Der Vater von meinem Bruder hat auch eine Lernschwäche. Keine guten Vorraussetzungen für Tim.
Meine schulische Karriere fing ziemlich vielversprechend an. Ich war in der Grundschule immer Klassenbeste, ich war zutraulich und der Liebling unserer Lehrerin. In Mathe- und Deutschwettbewerben stach ich souverän herraus. Meine Familie fing an all ihre verlorenen Träume in mich zu investieren. Sollte ich der erste Spross dieser Familie werden, der nicht als Friseuse oder Gehilfin irgendwo landet? Ich würde die eben genannten Berufe nie schmälern, es sind nur die Gedanken, die mir entgegengebracht wurden. Allerdings wurde ich nie unterstützt.
Bei Elternsprechtagen ging ich alleine zu meiner Lehrerin, ich sah das Mitleid in ihren Augen und noch heute treibt es mir die Tränen, wenn ich daran denke, wie oft sie mich zu diesen Elternsprechtagen allein empfangen hat und mir jedesmal sagte, wie tapfer ich sei und das aus mir bestimmt mal etwas Einzigartiges wird. Dabei wollte ich nie mehr, als dass meine Mutter einmal von anderen Seiten hört, was ihre Tochter alles kann.
In der 5. und 6. fing ich an mich nichtmehr für den Lehrstoff zu interessieren.
Ich wurde der Klassenclown.
Ich musste das erste mal nachsitzen.
Schon totgeglaubte Teile meiner Familie riefen empört und geschockt an. "Was ist denn nur passiert, dass sie nachsitzen muss? Sie war doch immer so fleissig!" Was niemanden wirklich zu interessieren schien, war der Grund für mein nachsitzen. Es war nicht das rumgekaspere, nicht Unaufmerksamkeit oder schlechte Noten.. Ich hatte bloss verschlafen und bin dann in der Eile ohne Schulrucksack in die Schule gerannt. Zuerst ein riesen Aufhänger zum Lachen, aber die Lehrer vermissten so meine Hausaufgaben und alles was eben nötig war.
Und so kam es, dass ich meine Klassenclown-Seite voll auslebte, bis hin zur 10. Klasse. Meine Mum sagte, ich sei unterfordert und schickte mich zum Japanisch-Unterricht. Nicht schon genug, dass ich freiwillig nachmittags in Lettisch- und Portugiesischkurse ging.
Mein damaliger Klassenlehrer hingegen drohte mir andauernd, meine Akte sei schon handbreit und das würde meine Versetzung in die weiterführende Schule gefährden. Whatever. Er prügelte mir in mein 10. Klasse Zeugnis eine 5 in Mathe. "Puff" - so hörte es sich ungefähr an, als die Träume aller meiner Verwandten zerpflatzten. Mein Opa wollte, dass ich Jura studiere? Oh weh..
Die weiterführende Schule, in der man die 11., 12. und 13. machen kann, hatte halt eine Vorgabe von Noten in den Hauptfächern und eine Wartezeit. Problem war, dass die Schule sich nicht in meinem Landkreis befand und ich an allen Stricken zerren musste um zu dieser elitären Schule zugelassen zu werden. Wenn man dort seinen Abschluss macht und das Abi glänzt, dann kann man ALLES erreichen!
Ich brach noch vor Ende der 11. Klasse ab und ging mit 16 jahren vorerst getrennten Weges von meiner Familie weit weg in den Süden. Zwar hab ich mein Abi mittlerweile gemacht und es ist auch ganz ok, aber die Zeiten waren hart.
Und in all der Zeit war ich nie für meinen Bruder da. Ich habe das Gefühl, seine Entwicklung ist stehen geblieben. Und nun wohne ich in Hamburg und kann nichts tun. Er ist so weit weg, hinter der schützenden Hand seines Vaters.
Wenn es Zeit wird, sich zu entscheiden, welche Ausbildung er machen will.. was soll er werden?
Diese Distanz zwischen ihm und mir lässt mich ausbluten. Ich weiss nichtsmehr von ihm, er ist in meinen Augen nicht erwachsen geworden. Aber vielleicht empfinden grosse Schwestern es immer so und dürfen sich dann überrascht über die doch stattgefundene Entwicklung freuen.
Ich wünsche es ihm so sehr..

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