Donnerstag, August 31

Blick in die Ferne

Ich überlege hin und wieder über was ich schreiben soll, aber allzuoft verwerfe ich die Gedanken, da sie mir zu weit weg erscheinen. Worüber also schreiben, wenn die Vergangenheit doch so schmerzt und aktuell nichts geschieht?
Ich habe nie an das Naheliegenste gedacht, an Lena.
Aber wie schreibt man eine Einleitung über einen Menschen, den man am meissten liebt, aber auch am weitesten von sich gestossen hat? Wir kennen uns seit so ewig langer Zeit und wir sind durch mehrere Abteilungen der Hölle gewandert, als Kinder, als Teenies, als Möchtegern-Erwachsene und ja, auch als Erwachsene. Wir sind zusammen gereift, aber in so verschiedene Richtungen, dass wir einander verloren haben.
Ich möchte aber, wie oben erwähnt, nicht in schmerzenden Erinnerungen wühlen, sondern eher an das denken, was einen zum lachen bringt. Zumindest bringt es mich zum lächeln.
Dass wir beide durchweg einen an der Klatsche hatten ist unumstritten. Kaum trafen wir aufeinander, schon gab es nur lachen, dumme Scherze, lauten Streit. Wir sind beide sehr laut und somit immer einen Hingucker wert, wenn wir in die Öffentlichkeit treten.
Am liebsten erinnere ich mich daran, wie wir vor 3 Jahren im "Findet Nemo" Fieber steckten. Lena steckte zu der Zeit in einer schulischen Ausbildung zur Kindergärtnerin und rief mich gerne des Abends an: "Ich muss bis morgen früh einen 8-seitigen Aufsatz über die sozialen und körperlichen Entwicklungen von 3-5jährigen schreiben." Sie musste nicht darum bitten. Ich tat es gerne und auch nur für sie. Dieser Teil unserer Freundschaft war so sicher und auch so angenommen wie es eben war. Sie weiss, dass sie in schulischen Dingen eher schlecht ist, ihre Aufnahmefähigkeit und Konzentration ist begrenzt und wir beide wissen, dass ich in dem Teil einfach die Geeignetere bin. Also trafen wir uns um 22 Uhr an der S-Bahn-Station, fuhren zusammen zu ihr nach Hause, hielten unterwegs noch bei McDonalds (wie jeden Abend), lachten und weinten zusammen. Als wir am Leipniz-Platz nach unseren Milkshakes in den letzten Bus Richtung Lena's Wohnung stiegen, waren wir schon völlig überdreht. Die ganze Zeit über sprachen wir laut "Walisch" und fingen an "Einfach schwimmen, schwimmen, schwimmen!" zu singen. Dazu kicherten wir oft, natürlich auch sehr laut. Dem Busfahrer schien aber an dem Abend besonders leicht die Luft auszugehen. Wir flogen einige Kilometer vor Lena's Wohnung aus dem Bus und lachten auch darüber. Als wir gerade unsanft aus dem Bus stolperten, klingelte auch schon mein Handy und mein damaliger Freund "Peter" verstummte sofort, als er am anderen Ende das laute Gekreische und Walisch-Gequatsche hörte. Lena, mit ihrer frechen Klappe, schrie sofort los und machte sich über Peters Namen in allen möglichen Stimmen und Sprachen lustig. Am liebsten hallte es im Offizierston "Pedda!" durch die Gegend. Im Angesicht dessen, dass es weit nach 23 Uhr war, mitten in der Woche, und wir noch einen Aufsatz über mehrere Seiten vor uns hatten, schien unsere Laune sich nur zu heben.
Wir standen beide circa 15 min vor einer Wandzeichnerei, die einen -> Delphin <- darstellte, aber wir sprachen trotzdem mit ihm walisch und hofften eine Antwort zu bekommen. Wir waren nüchtern. Mag uns aber jetzt keiner mehr zu glauben.
Irgendwann schafften wir es endlich in ihre Wohnung und warfen uns aufs Sofa. Lena holte den Papierkram für ihren Aufsatz und ich fing an mich einzulesen. Sie setzte Tee auf und liess mir meine Zeit, mich mit dem Stoff auseinander zu setzen. Dann schrieb ich für gewöhnlich alles vor und sie schrieb es einfach ab. Zwischendrin machten wir eine Pause und gingen mit ihrem Hund raus. Es war etwa 2.30 Uhr nachts. Wir gingen direkt an der Weser entlang und genossen die sternenklare Nacht mitten im Winter. Es muss Januar gewesen sein. Wir setzten uns auf die Kanten einer zugefrorenen Bank und gestanden uns ein, dass wir voneinander abhängig waren. Nicht mit Worten, denn plötzlich waren wir stumm. Der einzige Satz, der fiel: "Wir sollten viel öfter nachts hier spazieren gehen...".

Ich wünsche mir, die Zeit zurückdrehen zu können. Schleich dich wieder morgens um 8 in meine Wohnung, komm ins Schlafzimmer gesprungen und wirf dich wieder auf mich rauf, weck mich mit deiner lauten Art, mit Brötchen auf der Kommode und gib mir das Gefühl zu leben!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Gratulation zu solch einer feinen Freundschaft. Kann man sich nur wünschen selbst ein Teil von sowas zu sein.

Max

Follower