Freitag, April 1

Realitätsverlust

Morgen ist Gänsemarsch. Das ist eine Art Fest, mit viel Live-Musik und engem Gedränge. Viel Alkohol, unzähligen Bodyshots und unangenehmen Fotos, die kurz danach auftauchen und mich betrunken an einer Laterne zeigen, die ich offensichtlich zu betanzen versuche.
Ich habe abgesagt.
Nicht aus den offensichtlichen Gründen. Es ist mehr.. Ich kann es nicht erklären.
Ich bin kein Mensch der oft Gefühle teilt. Ich bin eher die Art, die lange brodelt. Und dann wird runtergespielt. Was solls, das Leben geht weiter, nicht wahr? Alles wird weggedrückt, in die hintersten Ecken meines gemütlichen Gehirns, welches sich offenbar damit zufrieden gibt. Was man nicht weiß, ist auch nie passiert. Woran man sich nicht erinnert, hat keine Existenz.
Ich konnte vergessen, immer. Ich konnte meine Familie vergessen, meine alte Existenz, sogar der Verlust meiner besten Freundin reibt nichtmehr wie Rasierklingen in meiner Brust. Ich kann an sie denken, ich spioniere sogar ohne ihr Wissen manchmal ihr Facebook-Profil aus. Es schmerzt nichtmehr, wenn ich ihr Foto sehe, unsere alten Freunde, die ihr fröhlich die Pinnwand vollkritzeln.
Aber jetzt habe ich dieses Drücken in der Brust, als hätte man mir eine Klammer ums Herz gelegt.
Seit Tagen sitze ich zuhause, ich lese wie eine Wahnsinnige. 1900 Seiten in 2 Tagen. Ich verkrieche mich vor der Realität, nichtmal der Fernseher säuselt nebenher wie ein brummiger Geliebter, der seinen Teil der Aufmerksamkeit einfordert. Ich sitze einfach im Bett und lese. Die Kerzen scheinen, ich trinke literweise Tee, ich verliere das Zeitgefühl und erinnere mich nach dem notwendigen Schlaf nichtmal wann ich das Licht löschte. Schlief ich jetzt 3 oder 8 Stunden?
Zu allem Überdruß entschied ich mich, meiner einsamen Existenz noch einen Soundtrack zu verpassen. Die traurigsten, melodramatischten Violinen- und Klavierstücke fanden ihren Weg auf meinen mp3-Player und schicken mich abwechselnd in gruselige, erzwungene Emotionen. Ich versuche beim lesen also zu lächeln, und wenn ich es nicht schaffe, treibe ich meine Tränendrüsen an, mir irgendetwas zu geben. Meine Augen brennen nur kurz, ich spüre wie sie rot werden, aber ich kann auch dies nicht.
Es ist nicht so, dass ich mich einer Depression hingebe. Depressive Menschen verlieren die Übersicht und den Drang ihren Alltag konsequent zu leben.
Aber sogar dies schaffe ich nicht.
Ich halte alle Termine, ich gehe sogar motiviert vor die Tür und erledige unangenehme Gänge, weil ich mich danach mit einem frisch gepressten Orangensaft in einem Cafe belohne. Alleine.
Heute habe ich den Bescheid bekommen, dass ich meine Prüfung vor der Handelskammer ablegen darf. Dafür habe ich ein Jahr lang gekämpft. Ich spüre nichts.
Es ist genau passiert, was ich vor Monaten schon befürchtet und niedergeschrieben habe.
Die Fassade steht, aber innerlich hohl.

Und nachdem ich jetzt wundersame Minuten auf meinen letzten Satz, mein letztes Kleidungstück, geworfen habe, merke ich, dass ich mich nicht nochmehr entblössen kann. Ich werde wohl in nächster Zeit keinen leblosen Blogeintrag mehr machen.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ne schreib ma ruhig weiter.

Anonym hat gesagt…

Na komm schon

Anonym hat gesagt…

ahh wunderbar, dankeschön :D

Floor Lola hat gesagt…

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