Wir waren alle mal "jung". Jeder von uns hat die Pubertät schon durch oder steckt noch mittendrin. Oh und jeder mag sich, wenn auch nicht freiwillig, daran erinnern, was für ein Biest man in seiner Jugend war/ist. Dementsprechend versuche ich tollerant gegenüber Tokio-Hotel-Fans aufzutreten. Aber auch Tolleranz hat schmerzhafte Grenzen.
Ich bitte euch, als sich Take That damals getrennt haben, hab auch ich eine oder zwei Tränchen vergossen - was für ein Geständnis - aber ich lebe noch! Heute laufen nur ansatzweise Trennungsgerüchte von Tokio Hotel durch die Bildzeitung und plötzlich bedroht uns Hara-Kiri von 250.000 pubertären Schneckchen.
Jungs hatten so ein Problem nie. Zu meiner Zeit waren Lenny Kravitz und Nirvana total angesagt. Um meinen Status bei den mit Pickeln bestraften Jungs meiner Klasse zu behalten, hab ich natürlich auch Nirvana und Lenny Kravitz gehört .. und was sagt man da, ich mochte die Musik! Für Carina und Steffi und all die anderen Heulbojen meiner Klasse waren Boybands immer musikalisch höher angesehen. Und vielleicht hat sich da für mich alles verändert. Aus der pubertären Wollust gegenüber des männlichen Geschlechts habe ich andere Musik für mich entdeckt und bin somit ein Stück aus der Massenhysterie des "Tut das Erste Mal weh?" rausgefallen. Plötzlich interessierten mich viele verschiedene Musikrichtungen, immer inspiriert von Jojo und Flori und Matze und wie die ganzen coolen Namenskürzungen damals eben waren. Also liess ich mich morgens von den Beatles wecken, ging mit Lenny in die Schule und rockte am Nachmittag mit den Jungs zu Hip-Hop, abends sass ich mit einer damaligen Verbündeten hinter ihrem Haus an den Feldern und wir jaulten schmerzhafte Nirvana Songs. Und in all der Zeit trauerten Sissy und Co noch weiter um ihre Boybands..
Hat die damalige musikalische Orientierung Auswirkungen auf unser Heute? Ich meine, wo kommt eigentlich dieser "Schranz" her? Und wer hat es gewagt soetwas Grausamen auch noch einen Namen zu geben? (Hier versuche ich wirklich tollerant zu sein, aber in meinem Kopf brodelt es.) Ich meine, Techno und all das Zeug hat sicherlich eine Existenzberechtigung, aber doch nicht vor meiner Nase. Jeder macht eine Phase durch in der er sich entdecken will, aber muss das in grell-pinken Haaren, neon-gepunkteten Oberteilen und Zelthosen sein? Dazu das geradezu selbstverständliche Zungen- / Augenbrauenpiercing? Muss das sein, dass man einer Musikrichtung so eine peinliche Note verleiht? Ich persönliche traue mich nichtmal öffentlich Prodigy zu hören aus Angst man hält mich für so eine total Abgedrehte, die gleich in zuckenden Bewegungen über den Boden kriecht und es "tanzen" nennt, dabei ihren Mund unkontrolliert öffnet und ihr neonfarbenes Zungenpiercing offenbart, gepaart mit einem grell leuchtendem Knick-Stäbchen das ursprünglich als Fischköder gedacht war.
Gut, soviel dazu.
Wenn mich heute jemand fragt, was für Musik ich eigentlich so höre, dann verweigere ich jegliche Antwort. Erstens kennen nur wenige die Bands, die ich nennen würde (hallooooo, die my darling ist im Original von den Misfits und nicht von Metallica!) und zweitens könnte ich mich nie für eine Musikrichtung entscheiden.
Im Klartext heisst das, heute lass ich mich von den Cardigans wecken, verbringe den Tag je nach Stimmung mit Audioslave, Foo Fighters oder Pop-Songs die mich ansprechen, schreibe dann Artikel zu Bach oder Chaupin, gehe mit Gustav Gans einkaufen und lasse den Tag mit Autumns Monologue ausklingen. Tanzen gehe ich zu Dancehall, weinen tue ich zu Bonny Tyler und für zwischendurch gönn ich mir Midnight von RHCP.
Jetzt denken wahrscheinlich einige "Joa, sagt mir nix, kenne kaum was, haste ja toll gemacht!".
Ich gebe zu: Manchmal höre ich auch Robbie Williams! ;)
Dienstag, Oktober 17
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