Ich bin in einem recht lebhaftem Viertel wohnhaft. Hier tummeln sich Italiener, die Fische auf offener Strasse grillen, Weinhändler, die den ganzen Tag vor ihrem Geschäft sitzen und auf portugiesisch Mädchen bewerten und jede Menge Freidenker. Ein kultureller Mischmasch aus friedlichen Menschen die ihr Leben leben. Und es gibt Uschi.
Uschi ist das, was einige Menschen als Dorn im Auge betiteln. Ich nenn es lieber die Beulenpest.
Meine erste Begegnung mit der lieblichen Uschi war doch noch recht interessant, geradezu faszinierend. Ich kam vom einkaufen, vollbepackt mit schweren Tüten die sich in mein Fleisch schnitten. Ich hatte es fast geschafft, ich sah die Haustür schon, nurnoch 10 Meter! Da passierte es.. mal abgesehen von der Blamage, von einer Frau überholt zu werden die älter ist als ich es jemals werden möchte, fängt sie an mich vollzublubbern. Blubb blubb blubb.. und es hört nicht auf?! Sie fragte nichtmal nach meinem Namen, sie erzählte einfach. Ich glaube irgendwo mittendrin vernahm ich den Satz, dass sie einen ehemaligen Bewohner unseres Hauses umgebracht hat, weil der einen Blumentopf in ihren Vorgarten warf, während sie sich dort sonnte. Mein Mitbewohner bestätigte mir übrigens, dass der Mann über uns tot aufgefunden wurde. Der war aber erst 37 oder so. Aber bevor Uschi diesen Artikel über sich findet und ich zu einer Kronzeugin für ihre gestandene Tat werde, möchte ich einfach mal über diesen mysteriösen Todesfall hinweg sehen.
Also, meine erste Begegnung mit Uschi war ein ihrseitig geführter Monolog über ihr Leben und eventuelle Morde. Kein Punkt, kein Komma, kein "Oh, das sieht schwer aus! Sie sollten den Einkauf lieber reintragen! Sickert ihnen Blut aus den Ohren?". Nein, keine Gnade.
Wie ich es doch geschafft habe, mich aus ihren Mundwickeln zu retten, weiss ich heute nichtmehr.
Es vergingen Wochen ohne ein nochmaliges verbales Attentat seitens Uschi. Ohne ein direktes.
Der Sommer allerdings, der verfluchte Sommer. Er liess Uschi geradezu aufblühen. Das Erste was man morgens vernimmt (meisst der Grund des verfrühten Aufwachens) ist Uschi und auch der letzte Ton des Abends wird von Uschi bestimmt. Sie brüllt durch die Strasse, streitet sich mit jedem Nachbarn, droht kleinen Kindern und sollte sie doch einmal schweigen, kommt Pinky und übernimmt ihren Job. Pinky ist Uschi's Katze. Das arme Ding wird fast täglich von einem fetten schwarzen Kater vergewaltigt und geprügelt. Nicht, dass man stundenlang gequälte Katzenschreie vernimmt, nein, Uschi kommt sobald rausgelaufen und schreit mit. Man vernimmt dann Katze und Frauchen die ganze Strasse im Duett verfluchend.
Eines heissen Sommertages liess ich mich herab; Ich brachte den Müll raus. Auf der Treppe vor unserem Haus sass eine blonde Frau, ende 20. Wir beäugten uns kur, sagten freundlich "Hallo" und ich trottete weiter mit dem Müll in der Hand.
Zum Müll webringen muss ich unsere kurze Strasse hinunter gehen, dann links abbiegen. Dort ist ein durch 3 Meter hohen Zaun gesicherter Abfallbereich, den man nur mit einem Hausschlüssel öffnen kann. Manchmal steht in diesem grosszügigen Bereich auch Sperrmüll oder ein Mofa, an diesem Tag aber nur ein alter Herd.
Ich warf den Müll in die Tonnen, drehte mich um und für eine Milisekunde gefror mir das Blut in den Venen. Da stand sie und verperrte mir den einzigen Fluchtweg. Uschi mit lustigem Hut und einem aufgesetzten Lächeln. "Den Herd, da müsst ihr aber den Sperrmüll rufen! Das geht ja so nicht, dass hier ein Herd steht. Ruft ihr bitte heute noch den Sperrmüll?!" Ja, natürlich, der Herd gehört mir! Von ca 64 Parteien, die Zugriff auf unsere private Müllhalde haben, kann nur ich für den Herd verantwortlich sein! Nur weil ich grade dort steh, dann muss ich den wohl grade hergetragen haben! Ja, ich erinnere mich! Mein Mitbewohner schnürrte mir den Herd auf den Rücken und ich ging fröhlichen Gemütes die enge und gefährliche Treppe hinab und trug das Ding 90m durch die Gegend! Wiegt ja nichts! Als nächstes wollte ich den Kühlschrank unter dem linken und den Geschirrspüler unter dem rechten Arm spazieren führen..
Ohne weiter auf ihr "RUF DEN SPERRMÜLL ODER ICH STECH DICH AB"-Gebrabbel einzugehen, ging ich wieder Richtung Wohnung. Die blonde Frau sass immernoch hier, ich überlegte kurz ob ich ein freundlicher Mensch bin und fragte sie sogleich "Kann ich Ihnen helfen oder warten sie auf jemanden? Ich kann sie auch schon reinlassen!". Verdammt, es war nur nett gemeint.. sie antwortete: "Aeh ja - ich wohne hier, aber danke.".
...Ok, so lernt man seine Nachbarn auch endlich mal kennen.
Roten Kopfes ging ich in unsere Wohnung und lachte mit meinem Mitbewohner über diese doch sehr irrealen Situationen.
Und heute morgen ist mir dann der Kragen geplatzt. Ich schlief sehr unruhig und bekam sofort beim aufwachen ein Schwindelgefühl, welches ich mit nochmehr Schlaf unterdrücken wollte.
Aber sie schrie! Durch die ganze Strasse! Dem Schlaf entraubt, torkelte ich ans vordere Fenster und hörte dem Gekeife kurz zu. Eine andere Nachbarin beschwerte sich auch schon über Uschis andauerndes Gekreische und in meiner Wut tat ich es ihr gleich. Ich riss das Fenster auf und fragte Uschi in einem freundlich-verschlafenem Ton, ob es wirklich nötig sei den ganzen Tag durch die Strasse zu brüllen. Sie ging sofort in die Defensive und keifte nun in 2 verschiedene Richtungen. Ein drittes Fenster öffnete sich, ein junger Mann starrte ungläubig und noch mit Schlaf in den Augen Richtung Uschi und wollte grad ausholen, als sie ihm zuvor kam und ihm "Du hälst am besten gleich die Fresse!" entgegenschmetterte. Genervt zogen sich alle 3 kritisierenden Parteien zurück in ihre Wohnungen.
Ich machte mir einen Tee und putzte mir die Zähne. Als ich wieder Richtung Wohnzimmer kam, hörte ich Uschi noch immer mit sich selber sprechen. Sie schlich an meiner Wohnung vorbei Richtung Portugiesen. Da wird sie schon die richtigen Ansprechpartner finden! Und wie zu erwarten, schienen jene Uschi wirklich zu unterstützen. Kein Wunder, die wohnen ja auch am anderen Ende unserer Gasse... grrrr.
"Wenn die mich nochmal angreift, hol ich meinen Revolver! Den hat mir mein Vater damals geschenkt und hier in der Gegend muss man sich ja auch zu wehren wissen, falls man mal bei mir einbricht oder so!" - WAS ZUR HÖLLE?! Diese alte Gans ist gemeingefährlich! Nicht, dass sie wahrscheinlich den armen Mann über mir auf dem Gewissen hat, nein, nun hat sie es auf mich abgesehen!
Den Satz mit dem Revolver hab ich übrigens vernommen, während ich eine kurze Schreibpause einlegte und mir einen neuen Tee holte. Seitdem weiss ich, ich gehe nichtmehr von die Tür. Nicht alleine. Höchstens mit Begleitung. Und jene sollte dann bis an die Zähne bewaffnet sein. Und ich spreche nicht von Pfefferspray.. ich will Handgranaten und vollautomatische Maschinengewehre!
Montag, August 7
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